„Jeder macht das, was er nicht kann“(Christine Wohlfahrt in „Dilldöppchen“) |
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Wolfgang Müller ist Mitglied der Bezirksleitung Bayern der IG Metall und war langjährig der Münchner Betriebsratsvorsitzende von Digital Equipment. (Digital ist seinerzeit in die Schlagzeilen gekommen, weil dort Belegschaft und IG Metall einen Haustarifvertrag erstreikten und dabei auch die 35-Stundenwoche durchsetzten.) Vielen Dank an Wolfgang für das folgende Nachwort zum Roman! Unbestreitbar hat die „New Economy“ genannte Art des Wirtschaftens an den Arbeitsbeziehungen zwischen hochqualifizierten Angestellten und ihren nach den Sternen greifenden Arbeitgebern vieles verändert. Vom seriösen Unternehmensberater bis zu Lenkern internationaler Konzerne, von innovativen Firmengründern und den sie finanzierenden Venture Capitalists und Business Angels bis zu verwegenen Anlagebetrügern, vom Wirtschaftsweisen bis zum Wirtschaftsredakteur, es waren sich Ende der 90er Jahre alle einig, dass mit Internet und Mobilfunk eine Phase grenzenlosen Wachstums angebrochen sei, die auf der exponentiell steigenden Nutzung von „Wissen“ oder „Wissensarbeit“ beruhen sollte. Über den Hebel der Börse wurden zahlreiche Projekte begonnen und scheinbar erfolgreich umgesetzt, wobei die einen an der Finanzierung und den Börsengängen gut verdienten, während die anderen aus dem selben Vorgang mit Kapital versorgt wurden, das sie vorübergehend der Sorge ums schnöde Geld Verdienen enthob: Es ging um einen möglichst großen Anteil am angeblich unendlich wachsenden Zukunftsmarkt, nicht um aktuelle Rendite. In diesem Umfeld gedieh wirtschaftliche Gier ganz prächtig, ja sie wurde regelrecht salonfähig gemacht. Und auch für die – inzwischen am Arbeitsmarkt rar gewordenen – Spezialisten war der Boom zwar anstrengend aber auch segensreich. Job-Hopping erreichte nie gekannte Ausmaße, Headhunter nahmen Informatiker schon während ihres Studiums unter Vertrag, um sie später meistbietend an Firmen zu vermitteln, die wiederum jeden Preis zahlten, um im Rennen um vermeintliche Marktanteile nicht zurückzufallen. Arbeitslosigkeit war für sie ebenso wenig ein Thema wie Gehalt, was zählte war die technische Herausforderung, an der man wachsen konnte. Diese Win-Win-Situation führte, was die Arbeitsbeziehungen anging, zu einem lockeren, lösungsbezogenen Führungsstil fast ohne auftrumpfendes Autoritätsgehabe. Ebenso unbestreitbar ist, dass das jähe Ende der Illusion, man könne mittels Börse oder „Wissensökonomie“ unendlichen Wert (und ebensolchen persönlichen Reichtum) jenseits der klassischen Regeln der Kapitalverwertung „schaffen“, genau diesen Regeln oft in ihrer reinsten und damit brutalsten Form wieder zur Wirkung verholfen hat. Denn das Platzen der Spekulationsblase und der auf ihr basierenden Geschäftspläne hat nicht etwa dazu geführt, dass die gerade salonfähig gewordene Gier nun in Demut und Barmherzigkeit umgeschlagen wäre. Im Gegenteil. Das an der Börse oder im Venture Fonds angelegte Geld war weg, da wollte man wenigstens den Teil, der den – ohne eigenes Zutun von High-Potentials zu Kostgängern mutierten – Beschäftigten zustand, behalten. Rüde Entlassungen, Firmenschließungen, Squeeze Out des womöglich noch verbliebenen Kapitals mit allen Mitteln waren an der Tagesordnung. Die Schilderung einer Geschichte vor diesem Hintergrund, die sich sicher hundertfach so oder ähnlich abgespielt haben mag, liegt nun in Romanform vor. Das ist an sich schon spannend. Noch spannender wird die Sache durch die bewusst gewählte sehr subjektive Perspektive auf das Geschehen, die den ökonomischen Vorgang in seinen Auswirkungen auf die Akteure beschreibt. Dass geschulte Betriebsräte mit gefestigtem gewerkschaftlichen Bewusstsein in diesem Chaos den Überblick behielten, ist ebenso unüblich wie segensreich, sowohl für die betroffenen Mitarbeiter als auch für die Leser dieses Buches, das nämlich sonst nie geschrieben worden wäre. München, Juni 2004 |
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Zum Seitenbeginn | © Marinus Münster – Erstellt: 2009-12-14 |