Schlafwagen

Urlaub. Mal alles vergessen. Wir – Chris und ich – fahren mit dem Schlafwagen nach Holstein zu meiner Mutter. Chris meinte eigentlich, wir müssten sparen und sollten einen Liegewagen nehmen. Aber ich wollte uns diesmal was gönnen: Nicht im DB-Nachtzug-Großraum-Liegewagen, wo alle halbe Stunde eineN die Klospülung weckt und alle zwei Minuten die automatische Tür rumpst. Man kann die Automatik zwar abschalten, aber irgend eine IdiotIn, die selbst nicht direkt neben der Tür schlafen muss, schaltet sie gewiss bald wieder ein.

Nein. Ich wollte in einem Schlafwagen in aller Ruhe in den Norden gondeln. Ein Abteil zu zweit, eine Flasche Wein im Rucksack und zwei kleine, standfeste Keramiktassen, damit wir mit Stil auf den Urlaub anstoßen können.

Und worin fahren wir? Christine trifft fast der Schlag. „So viel Geld für ein Wohnklo!“ meint sie. Immerhin, es ist ein neues Design: Hellgrau in hellgrau. Mit Milchglasfenstern ohne Gardinen (eben wie im Klo), mit Blick auf ein hellgraues Plastikwaschbecken.

Sofort hinlegen und einfach die Ästhetik dieses Schlafabteils verschlafen! Würden wir gern, aber können wir nicht, denn für die moderne Ausklapptechnik der Betten braucht man unbedingt den Schaffner. Er hat uns gleich beim Einstieg davor gewarnt, selbst Hand anzulegen, wenn wir dieselbe uns gesund und unzerquetscht erhalten wollen.

Also sitzen wir brav nebeneinander auf dem hässlichen Zweisitzersofa und schauen uns das Waschbecken an. Irgendwann kommt dann der Schaffner und klappt die Betten auf und wir staunen, dass man in dem winzigen Abteil tatsächlich noch die Beine ausstrecken kann, sozusagen in den Bettschrank hinein.

Aus: Marinus Münster, „Dilldöppchen“, Geest-Verlag 2004