Konsequenzen

Ringolf kommt auf die hausgemachten Probleme zu sprechen: „Unsere Produktivität ist zu gering. Bei den Projekten der letzten zwei Jahre haben wir im Schnitt mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Aber die Verluste konzentrieren sich auf ein einziges Projekt und dahinter steht genau ein Problem: Die Entwicklung unserer Mediation-Basissoftware. Sie hat alleine sechs Millionen Euro mehr gekostet als geplant.“

Ringolf Kaufmann verkündet die Konsequenzen: „Der Vorstand wird, um die Krise zu überwinden, ein Sanierungskonzept erarbeiten. Dazu müssen wir überprüfen, was der Markt tatsächlich hergibt.“ Nicht nur Ringolf holt Luft. Jeder im Raum weiß, dass das Personalabbau bedeutet.

„Wir“, erklärt Ringolf, „werden dem Vertrieb Milestones setzen, die er zu erreichen hat, Aufträge, die er bis Ende Dezember oder Ende Januar hereinholen muss. Das sind harte Termine.“

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„Wenn ich sage ‘harte Termine’, dann meine ich auch ‘harte Termine’“, bekräftigt Ringolf seine wilde Entschlossenheit. „Wenn der Termin Ende Januar heißt, dann muss der Auftrag am 31. 1. reinkommen. Am 1. Februar ist es zu spät. Das hat auch etwas mit meiner persönlichen Glaubwürdigkeit zu tun.“

„Von der Erreichung dieser Ziele wird es abhängen, wie viel Personal wir noch beschäftigen können“, sagt Ringolf mit ernster Miene. „Wir werden unseren Kunden klarmachen, dass sie im Februar eventuell von uns nichts mehr bekommen können, wenn sie nicht im Januar bestellen.“ Ob dieser Druck reichen wird?

„Wir sind gegenüber dem Aufsichtsrat im Wort“, erklärt Ringolf Kaufmann, „die Verluste erträglich zu erhalten. Wohlgemerkt: Wir planen Verluste. Aber die Verluste dürfen in diesem Finanzjahr fünf Millionen Euro nicht überschreiten.

Ringolf setzt nun wieder sein gewohntes Lächeln auf: „Unserer Konkurrenz geht es übrigens ähnlich. Und die haben nicht so eine finanzkräftige Mutter hinter sich wie wir. Wenn wir es schaffen, unsere Probleme zu lösen, können wir sehr wohl in einem Jahr, wenn die Krise vielleicht vorbei ist, noch am Markt sein. Möglicherweise mit dem Vorteil, dann die Einzigen zu sein, die noch übrig geblieben sind.“ Das Lächeln gefriert: „Deshalb werden wir Einsparungen treffen, wo es geht. Wir werden als erste Maßnahme die Verträge von allen freien Mitarbeitern kündigen, die wir entbehren können.“

Ringolf hat lange gesprochen. Wir – das heißt Franz-Josef, Umberto und ich – sind wie vom Donner gerührt. Irgendwie hatten wir das schon lange erwartet, aber jetzt da es passiert ist, schnappen wir doch nach Luft. […]

Aus: Marinus Münster, „Dilldöppchen“, Geest-Verlag 2004