Abteilungsversammlung

Ich bin in unserer Düsseldorfer Außenstelle. Ringolf wollte den hiesigen fünf Mitarbeitern (Mitarbeiter_innen_ gibt es hier nicht) keine Dienstreise zu unserer Betriebsversammlung genehmigen. „Gut, dann führen wir eine eigene Teilversammlung in Düsseldorf durch“, hat Franz-Josef erwidert. Dazu musste Ringolf dann nicken, denn an Gesetzen kommt auch er nicht vorbei. Er war dann auch bereit, selbst nach Düsseldorf zu fliegen und seinen Vortrag vor der Münchner Betriebsversammlung dort zu wiederholen. Den Betriebsrats-Part soll ich übernehmen.

Ich bin mit dem Schlafwagen gekommen. Das ist wesentlich angenehmer, als in aller Herrgottsfrühe zum Flughafen zu fahren und dann doch erst später da zu sein. Billiger ist es meistens auch. Und wesentlich umweltschonender. Aber nicht unbedingt „in“. Ronja Wulff, die Sekretärin, sah mich staunend an, als ich nicht fliegen wollte, so als ob sie sagen wollte: „Na das passt zu deinem Pferdeschwanz“.

Ringolf kommt eine halbe Stunde nach mir an. Wir zeigen und erläutern beide unsere Foliensätze und kommen dann zur Diskussion.

Die Düsseldorfer Kollegen fragen, nach welchen Kriterien denn ein Personalabbau vonstatten gehen wird. Ringolf sagt ihnen ins Gesicht: „Das geht nach sozialen Kriterien, und das heißt konkret: Last In – First Out“. Bis auf Gunter Bröselmann sind sie alle jung, weit unter vierzig. Die Jungs verstehen: Sie sind (abgesehen von Gunter) alle erst seit diesem Jahr bei der Firma. Sie werden als erste gehen müssen.

Ich frage, wieso jetzt eine Sanierung ins Haus steht, wenn erst vor ein paar Monaten noch erklärt wurde, man müsse investieren, um eine kritische Größe der Firma zu erreichen, da die Verwaltungskosten einen sonst auffressen.

Ringolf antwortet auf meine Frage, als ob er sie nicht gehört hätte: „Nun kann man natürlich fragen, wieso wir vor einem halben Jahr noch kräftig investiert haben und jetzt meinen, dass der Markt nichts mehr hergibt. Aber wir haben uns das damals ja nicht alleine aus den Fingern gesogen. Wir hatten hochrangige Unternehmensberater, die viel Geld bekommen haben. Die haben damals unsere Investitionen für richtig gehalten. Deren Marktanalyse hat eben nicht gestimmt. Ich glaube jedoch kaum, dass man die dafür heute haftbar machen kann“.

Aus: Marinus Münster, „Dilldöppchen“, Geest-Verlag 2004