Die Zuagroasten

„Hat er gesagt, wer es war?“

„Nein, aber er hat sich verplappert und von ‚Nachbarn’ gesprochen, sich dann aber gleich verbessert und behauptet, es wäre jemand aus dem Dorf gewesen.“

„Kann schon sein, dass es irgendjemand war, der meint, für Recht und Ordnung sorgen zu müssen, und den Hilfssheriff spielt. Aber die Hühner sind ja bei dem Schnee kaum vor die Tür gekommen. Da muss schon jemand genau hingespechtet haben, um mitzukriegen, dass wir die Hühner nicht einsperren.“

„Es können eigentlich nur unsere lieben Freunde von nebenan sein.“

„Oder die Alte, die dich vor zwei Jahren täglich angerufen hat und wollte, dass wir den Hahn schlachten. Vielleicht hat sie es mit dem Fernglas gesehen.“

„Ja, zu der würde es auch passen, anonyme Anrufe, anonyme Anzeigen …“

„Das wegen dem ruhestörendem Lärm ist aber jemand anders gewesen, du weißt schon wer.“

„Aber ganz genau haben wir es nie herausbekommen. Und wo sie offenbar mit der Anzeige eine Abfuhr erlitten hat, sieht sie jetzt vielleicht ihre Chance wegen der Vogelgrippe.“

„Hör auf, wir wissen es einfach nicht. Ich merke schon, wie ich alle und jeden verdächtige.“

„Warum tun die das den Tieren an? Dass sie uns hassen ja, aber die Tiere können doch nichts dafür! Manchmal denke ich, wir sollten wegziehen.“

„Das bringt nichts. Das wird dir woanders auch wieder passieren. Wenn du neu bist und nicht alles ganz genauso wie sie machst, springen sie mit dir um.“

„Dabei machen wir gar nichts anders. Die Vorbesitzer hatten doch früher auch Hühner.“

„Ja früher. Vielleicht hätten wir erst fragen sollen.“

„Und wenn sie Nein gesagt hätten? Wofür sind wir denn aufs Land gezogen? Wohin gehört denn der Hahn, wenn nicht aufs Dorf? Die haben uns auch nicht gefragt, als sie angebaut haben.“

„War ja auch ihr gutes Recht.“

„Natürlich war es ihr gutes Recht. Deswegen brauchten sie uns nicht zu fragen. Und unser gutes Recht war, Hühner anzuschaffen. Da brauchten wir auch nicht zu fragen!“

„Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Wir sind eben die Neuen.“

„Ich lebe seit 30 Jahren in dieser Gegend!“

„Und die seit 35 Jahren.“

„Also!“

„Du hast ja Recht, aber bekommen wirst du es wohl nie. Außer von mir.“

„Ich finde es schlimm, dass man gar nichts machen kann. Ich habe ja alles versucht, habe sie um ein Gespräch gebeten, um uns auszusöhnen. Aber sie wollten nicht. Sie wollen keine Versöhnung.“

„Wir können sie nicht zwingen. Für die Hühner tut es mir leid. Doch ihr wichtigstes Ziel erreichen sie nicht, und daran werden sie Gift und Galle spucken.“

„Und das wäre?“

„Dass wir verschwinden. Wir bleiben einfach da. Das erinnert sie an ihre eigene Bosheit, bis sie daran ersticken.“

„Wusste gar nicht, dass du so rachsüchtig bist.“

„Ist doch besser, als sich wegen denen zu Tode zu grämen! Wenn sie Frieden wollen, können sie ihn sofort haben, aber den Krieg, den gönne ich ihnen nicht – das ist meine Rache!“

© 2006 Marinus Münster. Diese Geschichte ist frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit der Figuren mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig.